Kritische Töne

Rheinische Zeitung, Köln
Rheinische Zeitung, Köln

[Rheinprovinz, 1843] Zur Zeit der Restauration unterdrückte der preußische Staat Meinungs- und Pressefreiheit, folglich wurde auch die liberale „Rheinische Zeitung“ zensiert. Dann vertrat sie sogar demokratische Ideen.

Hubert Limbach legte seine „Rheinische Zeitung“ aus der Hand, in der er bis eben gelesen hatte. Auf ein Bugholz gespannt lag sie im „Limbach-Stübchen“ aus. So war das in vielen Wirtschaften. Die Gäste konnten die Zeitung lesen oder sich vorlesen lassen, und sich so eine politische Meinung bilden.

Doch nicht jeder las die „Rheinische Zeitung“. Viel mehr Abonnenten hatte die katholisch-konservative „Kölnische Zeitung“. Vielleicht würde es die „Rheinische Zeitung“ schon gar nicht mehr geben, hätten nicht führende Liberale um die erfolgreichen Unternehmer Ludolf Camphausen, Gustav Mevissen und David Hansemann als Aktionäre Kapital eingebracht. Auch wenn die preußische Obrigkeit die Liberalen mit Argwohn betrachtete, sah sie in der „Rheinische Zeitung“ als doch das kleinere Übel, verglichen mit der mächtigen „Kölnischen Zeitung“. Diese galt nämlich als Sprachrohr der „ultramontanen“ Katholiken, denen im Zweifelsfall die Autorität des Papstes jenseits der Berge in Rom mehr galt als die des protestantischen Königs in Berlin. So ging man bei der Zensur der „Rheinischen Zeitung“ moderat vor.

Unter den Redakteuren der Rheinischen Zeitung waren Literaten wie Ferdinand Freiligrath und Georg Herwegh. Anonym schrieb auch der junge Journalist Karl Marx für sie. Schon bald schlug die Zeitung andere Töne an. Entschieden trat sie für Pressefreiheit ein und übte scharfe Kritik an den Mitgliedern des Rheinischen Provinziallandtags. Denn diese vertraten die Pressefreiheit nur halbherzig oder ließen sich gar auf faule Kompromisse ein. Marx berichtete mit drastischen Worten über die Not der Bauern im Land, vor allem an der Mosel, und die Gleichgültigkeit und Gefühlskälte der Obrigkeit.

Die demokratische Bewegung

Das waren zunehmend Positionen der demokratischen Bewegung, die sich aus dem Liberalismus entwickelte. Beide forderten mit Nachdruck eine Verfassung. Doch während die Liberalen in ihrer Mehrheit auf eine konstitutionelle Monarchie setzten, wollten die meisten Demokraten eine republikanische Staatsform. Das Parlament, gewählt in allgemeiner und gleicher Wahl, sollte Gesetze beschließen und die Regierung kontrollieren. Das Volk war der Souverän, und damit brachen die Demokraten mit den Anhängern der Monarchie und auch vielen Liberalen.

Auch in Bonn gab es einen demokratischen Kreis um den Professor Gottfried Kinkel. Der gebürtige Oberkasseler war seit 1839 Dozent für Kirchengeschichte und allgemein geachtet und beliebt. Doch seine Liebe zu Johanna, einer Katholikin, die in Scheidung lebte, brachte ihm bald Ärger ein. Johanna konvertierte kurzerhand zum evangelischen Glauben. Noch immer galt im Rheinland der Code Napoléon, der die Zivilehe und auch die Möglichkeit zur Scheidung und Wiederverheiratung vorsah. Die beiden mussten drei Jahre warten, doch 1843 konnten sie heiraten. Ob Kinkel dann aber für die theologische Fakultät der Universität noch tragbar wäre, stand auf einem anderen Blatt. Johanna und Gottfried Kinkel gründeten zusammen den literarischen Kreis „Maikäferbund“. In ihrem Haus trafen sich literarisch und politisch interessierte Menschen.

Die „Rheinische Zeitung“ wurde zunehmend regierungskritischer. Die Redakteure vertraten weitgehendere Positionen als es der prominente liberale Aktionär Ludolf Camphausen tat. Schon bald geriet sie unter Beschuss, ein eigene Zensor war auf sie angesetzt und ihre Genehmigung war nur provisorisch. Nur weil man die kapitalkräftigen Aktionäre nicht verprellen wollte, blieb es bei einer scharfen Ermahnung. Vorerst.

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