[Rheinprovinz, 1843] Seit kurzem dampften und schnauften die ersten Eisenbahnen durch Deutschland; die erste fuhr 1835 von Nürnberg nach Fürth. Nun plante man schon eine Eisenbahnlinie nach Belgien.
Der neue König Friedrich Wilhelm IV. schien den Rheinlanden gewogen. Schon als Kronprinz war er auf dem Drachenfels gewesen, und vor kurzem war er zum Dombaufest nach Köln gekommen. Hubert war froh darüber. „Weite Strecken der Distanz von Berlin an den Rhein kann er mit der Eisenbahn zurücklegen“, dachte er lächelnd, „anders als sein Vater wird er froh sein, dass es die Eisenbahn gibt.“
Erste Eisenbahnlinien
Seine Majestät, der alte König Friedrich Wilhelm III., sah nämlich die neuen Eisenbahnen mit Skepsis. Anlässlich der Eröffnung der Berlin-Potsdamer Eisenbahn soll er gesagt haben, „er könne sich keine große Seligkeit davon versprechen, ein paar Stunden früher von Berlin in Potsdam zu sein“. Hubert dachte sich seinen Teil: „Von Berlin nach Potsdam, das sind keine Entfernungen. Aber seine Tochter, verheiratet mit dem russischen Zaren, wird sich vielleicht schon freuen, schneller von St. Petersburg in die Heimat zu kommen.“ Hubert und Henriette verfolgten den Eisenbahnbau mit großem Interesse, nicht zuletzt, weil Henriettes Bruder Matthieu als Eisenbahn-Ingenieur mit dabei war.
Eisenbahnunternehmer
Doch auch der preußische Staat mit seinen getrennten Gebieten im Osten und im Westen erkannte die Chance, durch die Eisenbahn die großen Landgüter im Osten und die aufstrebende Groß- und Schwerindustrie in der Rheinprovinz und in Schlesien besser zu verbinden. Gute Transportwege und geringe Transportkosten waren auch ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Allerdings fehlt dem Preußischen Staat die Mittel, daher war er zunächst auf den Bau von privat finanzierten Eisenbahnen angewiesen. Gleichzeitig war ihm aber daran gelegen, nach Möglichkeit Einfluss auf die Bahnen auszuüben bzw. diese zu einem späteren Zeitpunkt selbst übernehmen zu können. Mit dem Preußischen Eisenbahngesetz von 1838 waren entsprechende Bestimmungen formuliert.
Die ersten Bahnen im Königreich Preußen waren also von privater Hand finanziert und gebaut. Mit dabei waren sogleich die rheinischen Unternehmer um Ludolf Camphausen, Gustav Mevissen und David Hansemann. Der Rhein war einer der wichtigsten Wasserwege zum Meer, doch man musste zu den holländischen Häfen, und die Niederlande erhoben hohe Zölle auf die durchgeführten Waren. Als Geschäftsleute hatten sie die Chance gleich gesehen, durch eine Eisenbahnlinie nach Belgien die hohen niederländischen Rheinzölle zu umgehen. Auch das Königreich Belgien war an Handelsbeziehungen interessiert trieb den Aufbau seines Schienennetzes voran; schon bald war es das beste in ganz Kontinentaleuropa. Und Hubert war interessiert, und ganz besonders seine belgische Ehefrau Henriette.
Mit der Eisenbahn an die belgische Grenze
Beim Bau der Eisenbahnlinie an die belgische Grenze hatte es zunächst einmal Knies gegeben zwischen den Kölner Unternehmern und den Aachenern. Sollte die Linie über Köln und Aachen zur Grenze gehen, oder nur über Köln? Man hatte sich ausgiebig gestritten, auch eine vom Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Ernst von Bodelschwingh, geleitete Konferenz hatte keinen Durchbruch gebracht. So hatte schließlich König Friedrich Wilhelm III. in Berlin, nach wiederum langwierigen Verhandlungen, im Februar 1837 entschieden: Die Linie würde über Aachen führen. Danach hatte man sich endlich zusammengefunden, im Juli 1837 die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft gegründet und mit dem Bau der Bahnstrecke begonnen. Am 15. Oktober 1843 war der letzte Abschnitt bis zur belgischen Grenze in Herbesthal fertiggestellt.
Hubert und Henriette waren bei der Jungfernfahrt von Köln an die belgische Grenze dabei gewesen. Im Grenzbahnhof Herbesthal hatte Matthieu an die Fensterscheibe geklopft und den beiden galant beim Aussteigen geholfen. Die ersten Zollbeamten waren schon da. „Herbestal ist Grenzort“, erklärte Matthieu, „Ihr habt gerade die erste Strecke von Deutschland ins Ausland befahren. Hier könnt Ihr umsteigen und weiter mit der belgischen Eisenbahn bis Brüssel, wenn Ihr mögt sogar bis nach Antwerpen fahren.“
Erinnerung an Oma Limbach
Hubert sah sich um und staunte. Hier brach eine ganz neue Zeit an! Er war nur etwas traurig, dass seine Mutter all dies nicht mehr erleben konnte, „Oma“ Limbach hätte diese Zugfahrt um nichts in der Welt verpassen wollen. Und doch war sie mit dabei, denn Hubert hatte einige ihrer herrlichen Tischdeckchen aus den „Limbach-Stübchen“ mitgebracht und übergab sie nun dem stolzen Eisenbahner Matthieu: „Für Euer kleines Bahnhofsrestaurant hier in Herbesthal, damit es auch an der Grenze freundlich aussieht.“
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