Code Civil und Rheinisches Recht

Siebengebirge von der Godesburg, Code Civil
Siebengebirge von der Godesburg, Code Civil

[Rheinland, 1815] Napoleons „Code Civil“ hat das Rechtswesen weit über seinen Herrschaftsbereich und seine Herrschaftsdauer hinaus geprägt. Zudem verteidigten die Rheinländer ihr „Rheinisches Recht“ gegen Preußen.

Im Frankreich zur Zeit Napoleons hatte die Revolution gewaltige Umwälzungen gebracht. Auch das alte Rechtssystem, von ständischen und feudalen Vorrechten geprägt, war daher nicht mehr zu halten. Die Leitideen Liberté, Égalité und Fraternité verlangten nicht nur nach einer neuen, republikanischen Verfassung, sondern auch nach einer völlig neuen Rechtsordnung.

Napoleons Gesetzeswerk

Noch als erster Konsul hatte Napoleon ein grundlegendes Gesetzeswerk für Frankreich auf den Weg gebracht. Am 21. März 1804 trat das Gesetzbuch zum Zivilrecht in Kraft, der Code civil. Da weite Gebiete auf der linken Rheinseite seit dem Frieden von Lunéville 1801 zu Frankreich gehörten, galt der Code Civil hier sofort.

Auch als Kaiser setzte Napoleon sein Gesetzeswerk energisch fort. Auf der Höhe seiner Macht galt der Code Civil von Portugal bis Polen, von Holland im Norden bis zur Adriaküste.

Revolutionäres Gedankengut am Rhein

Im Großherzogtum Berg trat der Code civil 1810 in Kraft, 1811 folgte die französische Gerichtsorganisation, 1812 die Zivilprozessordnung und das Handelsgesetzbuch.

Das war ein grundlegender Wandel, denn nun nach der Neuordnung durch Napoleon galt erstmals für das gesamte Rheinland im Wesentlichen das gleiche Recht. Zuvor, im Alten Reich, war die Gesetzgebung injedem der unzähligen Mittel-, Klein- und Kleinstaaten unterschiedlich gewesen.

Vor allem aber kam das Gedankengut der Französischen Revolution ins Rheinland:

  • Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich,
  • Freiheit des Individuums und des Eigentums und Ehre sind gesetzlich geschützt,
  • Strikte Trennung von Kirche und Staat,
  • Einheit des Staates,
  • Unabhängigkeit der Richter, Trennung von Anklage und Rechtsprechung,
  • Mündlichkeit und Öffentlichkeit der Verhandlung. Mitwirkung von Geschworenen bei Strafprozessen.

Widerstand

Nachdem ihm der Wiener Kongress die Rheinlande zugesprochen hatte, wollte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen auch in seinen neuen Gebieten preußisches Recht einführen. Doch er stieß auf Widerstand, auch bei Generalgouverneur Sack und Staatskanzler Karl August von Hardenberg.

Napoleon hatte man besiegt, ja, und zuletzt war aus dem Hoffnungsträger ein Despot geworden, der Abertausende für seine Feldzüge opferte. Doch seine Gesetzgebung und viele Veränderungen der Franzosenzeit hatte man als Verbesserungen empfunden. Im Großherzogtum Berg gab es kein Feudalsystem und keine Leibeigenschaft mehr. Die Zeit der Zünfte war vorbei, dafür gab es endlich Gewerbefreiheit. Justizwesen, Post und Verwaltung waren grundlegend reformiert worden. Jeder konnte sich frei vor Gericht verteidigen, hatte Anspruch auf Gehör und bei Bedarf auf einen Pflichtverteidiger. Nur ein Richter durfte Freiheitsentzug anordnen.

Nun verteidigte man dieses „französisch-rheinische“ Recht gegen den preußischen Staat, der die großen Reformer zunehmend entmachtete. Altpreußen, wusste man, war vom Absolutismus seiner Könige, den Privilegien seiner Adligen und Staatsbeamten und der Herrschaft seiner Gutsherrn geprägt. In ihren westlichen Landesteilen hingegen hatten die preußischen Könige den Absolutismus nie so durchsetzen können, Die Menschen im Rheinland waren auch vor der Franzosenzeit stolz auf ihre Jahrtausende alte Kultur als Bürger des Römischen Reiches und Einwohner mittelalterlicher Reichs- und Residenzstädte.

Preußen lenkt ein

König Friedrich Wilhelm III. musste einlenken. Im neuen „Rheinpreußen“ wurde das preußiche Allgemeine Landrecht nur in den Gebieten eingeführt. die schon vor der Franzosenzeit zu Preußen gehört hatten. Auf Empfehlung Hardenbergs setzte der König die Rheinische Immediat-Justiz-Kommission ein, sie sollte eine neue Gesetzgebung für die Rheinlande vorbereiten. Aufgrund ihrer Empfehlung entschied er, dass die in den übrigen Gebieten bestehende Gesetzgebung im Wesentlichen beibehalten werden sollte.

So galt das französische Recht in vielen Gebieten im Westen Deutschland als sogenanntes „Rheinisches Recht“ weiter. Besonders während der Zeit der Reaktion in den 1850er Jahren war man dankbar dafür. Strafprozesse konnten nicht einfach in einem geheimen Verfahren aufgrund der Aktenlage entschieden werden; im schlimmsten Fall sogar aufgrund gefälschter Beweise, die die geheime politische Polizei beigebracht hatte. Nach „Rheinischem Recht“ kam der Beschuldigte vor ein Gericht, das öffentlich tagte. Hier konnte er sich verteidigen und „von den Geschworenen sein Recht fordern“ wie es später Professor Gottfried Kinkel bei seinem Prozess 1850 formulierte. So nahmen einige politische Prozesse einen anderen Ausgang als die Obrigkeit erhofft hatte, Fortan versuchte man, die politischen Prozesse der „rheinischen“ Rechtsprechung zu entziehen.

Napoleons Gesetzeswerk hat das Rechtswesen weit über seinen Herrschaftsbereich und seine Herrschaftsdauer hinaus geprägt. Das „Rheinische Recht“ blieb bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 gültig.

Rheinisches Recht | Zum Weiterlesen
Wikipedia, Code Civil, Rheinisches Recht in deutschen Ländern

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