Zwischen Hoffen und Bangen

Berlin, Ausgabe der neuen Rentenmark
Berlin, Ausgabe der neuen Rentenmark

[Rheinprovinz, 1923] Ein schlimmes Jahr ging zu Ende. Am 23. November verlor Reichskanzler Stresemann eine Vertrauensabstimmung im Reichstag und trat zurück. Neuer Regierungschef wurde der Kölner Wilhelm Marx.

Als Außenminister gehörte Stresemann allen Regierungen bis 1929 an.

Außenpolitische Wende

Frankreich Ministerpräsident Poincaré wähnte sich am Ziel, denn nach dem Abbruch des passiven Widerstands, den Separatistenputschen in vielen rheinischen Städten schien eine entscheidende Schwächung Deutschlands greifbar nah. Er verweigerte Verhandlungen mit der Reichsregierung, dafür wollte er in internationalen Verhandlungen auftrumpfen und den Vertrag von Versailles endlich in seinem Sinn revidiert bekommen.

Doch er hatte sich verschätzt. Die Separatisten bekamen keine Unterstützung in der Bevölkerung und konnten sich ohne französisches Militär nicht behaupten. Zudem führten die hohen Kosten der Ruhrbesetzung führten auch in Frankreich zu einer Krise, Folgleich sank die Zustimmung zu ihm und seiner Regierung.

Aus Sicht Englands war es nun an Frankreich, an einer Lösung mitzuarbeiten, und auch die USA wendeten sich wieder Europa zu. Frankreich die Vorherrschaft auf dem Kontinent überlassen wollte keiner von beiden.

Nachdem die Reichsregierung am 24. Oktober 1923 eine Untersuchung der Zahlungsfähigkeit Deutschlands beantragt hatte, setzte die Reparationskommission am 30. November zwei Sachverständigenausschüsse an, der zweiter wurde von dem amerikanischen Finanzmann Charles Dawes geleitet.

Rentenmark

Am 15. November wurde die Rentenmark als neue Währung eingeführt. Die Reichsbank hatte den Wechselkurs zur Papiermark auf 1:1 Billion zum 20. November festgesetzt, den Devisenkurs auf 4,2 Billionen Papiermark = 1 US-Dollar. Das entsprach der Vorkriegs-Goldmarkparität zum Golddollar entsprach. Die Menschen akzeptierten die Rentenmark sofort, auch weil sie durch Sachwerte, Grund und Boden, gedeckt war, was freilich eine Notlösung war. Die Ausgaben wurden rigoros eingeschränkt, die Steuern erhöht – doch die Stabilität der Währung war für viele Menschen der erste Lichtblick zum Ende des Krisenjahres 1923.

Nicht aber für die Menschen in den besetzen Gebieten an Rhein und Ruhr, hier wurde die Rentenmark nicht eingeführt. Ohne Sanktionsmöglichkeiten, so fürchtete der französische Kommissar Tirard, könnte die Reichsregierung auch die neue Währung „verrecken“ lassen, um sich um die Reparationszahlungen zu drücken.

Max ist zurück

Wenigstens war Max wieder da. Er arbeitete wieder bei der Eisenbahn in Bonn. Anfang Dezember 1923 einigte sich die Reichsbahn mit der französisch-belgischen Eisenbahnregie, bald würde es wieder geregelten Eisenbahnverkehr geben.

Viele Abstimmungsgespräche mit den französischen und belgischen Eisenbahnern standen nunan. Auf beiden Seiten waren die Nerven angespannt. Die Einheimischen fühlten sich gedemütigt; die Franzosen witterten überall Sabotage. In den ersten Tagen hielt sich Lottie oft in Max‘ Nähe, denn sie sprach sehr gut Französisch.

Ein belgischer Offizier

Eines Morgens auf dem Bonner Bahnhof sah Lottie, wie ein Soldat einen älteren Herrn anfuhr. Der Mann schaute verständnislos, der Soldat brüllte immer lauter und drohender. Lottie ging hinüber. „Er hat Sie nicht verstanden“, sagte sie zu dem Soldaten, „il ne vous a pas compris.“ Der Soldat fuhr herum und schaute sie überrascht an. Dann zuckte er mit den Achseln. „Qu’il s’en aille“, meinte er. Schnell bedeutete Lottie dem älteren Herrn fortzugehen.

Dann trat ein belgischer Offizier zu ihr. „Sie sprechen gut Französisch“, sagte er erstaunt, „Sie klingen fast wie eine Belgierin“. „Ich war mit meiner Familie einige Jahre in Brüssel“, brach es aus Lottie heraus, „meine Mutter hatte dort mit Madame Desdentelles ein Ausbildungsprogramm aufgebaut. Sie starb, als sie noch kurz vor dem Krieg sicherstellen wollte, dass alle ihre Schützlinge dort gut versorgt sind – egal ob Deutsche, Österreicher oder Belgier! Und wenn sie noch leben würde, würde sie weiter ausbilden, auch Franzosen und Marokkaner!“

Der Offizier schaute sie verblüfft an, und Lottie fürchtete schon, dass sie zu weit gegangen war. Dann sagte er langsam: „Ich kenne die Maison Desdentelles, dann war Ihre Maman Gräfin Sophie Csabany?“ Nun musste Lottie gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen. „Ja“, sagte sie leise. Die Gesichtszüge des Offiziers wurden weicher. „Ich möchte Sie bitten, Madame, sich uns auch weiter als Übersetzerin zur Verfügung zu stellen, bis hier alles wieder einigermaßen läuft. Und ich wünsche Ihnen ehrlich, dass Sie Brüssel unter besseren Bedingungen wiedersehen.“

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