Rheinromantik und Dampfschiffe

Ziegler, Siebengebirge von Rolandseck
Ziegler, Siebengebirge von Rolandseck

[Rheinprovinz, 1820er Jahre] Anfang des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der Romantik, hatte man das Rheintal mit seinen Felsen und Burgen für den Fremdenverkehr entdeckt.  Auf dem Rhein fuhren die ersten Dampfschiffe.

Ab 1825 gab es Linienverkehr. Sogar König Friedrich Wilhelm III. machte im September 1825 eine Dampferfahrt auf dem Rhein, um seine neuen Gebiete kennenzulernen und das Eis zu brechen. Mit Rheinromantik konnte er freilich nichts anfangen. 1826 wurde in Köln die Preußisch-Rheinische Dampfschiffahrtsgesellschaft (PRDG) gegründet, die spätere Köln-Düsseldorfer (KD), einer der ersten deutschen Aktiengesellschaften.

Jean war Offizier der PRDG aus Koblenz, und man konnte mit Fug und Recht sagen, dass auch er zu den Pionieren der Dampfschifffahrt auf dem Rhein gehörte. Damit machte man ihm eine große Freude, denn er liebte seinen Beruf. Konnte es etwas Schöneres geben, als immer wieder langsam durch das Mittelrheintal zu gleiten, mit seinen steilen Felswänden und den Burgruinen?

Lord Byron

Wenn Jean im Städtchen Königswinter unterhalb des Drachenfels anlegte, gönnte er sich regelmäßig eine Tasse Schokolade im „Stübchen“ bei Henriette. So lernte er auch Anni kennen, und die beiden mochten sich sehr. Jean war auch ein begeisterter Leser. „The castled craig of Drachenfels ..“ rezitierte er, als er mit einer Tasse Schokolade in der Hand am Rheinufer stand und in die Höhe blickte.

Das war von Lord Byron, dem ebenso berühmten wie skandalumwitterten Dichter aus England. Er hatte Europa bereist und dem Rhein und dem Drachenfels einige Strophen gewidmet. „Childe Harold’s Pilgrimage“ hieß das Werk, das zwischen 1812 und 1818 herausgegeben worden war. Nicht ganz Jeans Stil, aber Lord Byron war eben Lord Byron, und man konnte ihm gar nicht genug dafür danken, dass er soviel Aufmerksamkeit auf das Rheintal gelenkt hatte.

Heinrich Heines „Loreley“

Am liebsten las Jean die Gedichte von Heinrich Heine. Wie man hörte, stammte der junge Mann aus Düsseldorf und hatte auch an der Bonner Universität Jura studiert, bevor er nach Göttingen und Berlin wechselte. Doch sein Herz gehört der Dichtkunst. 1824 war sein Band „Dreiunddreißig Gedichte“ erschienen, und darin war auch das Gedicht von der Loreley, der schönen Nixe, die der Sage nach oben auf dem Loreleyfelsen bei St. Goar saß, ihr goldenes Haar kämmte und damit unzählige Schiffer ins Verderben riss.

Auf seinem Dampfer kam Jean oft vorbei und schaute hinauf. Er hatte die Jungfrau mit dem goldenen Haar dort oben noch nie gesehen, aber mit ihrer Warnung hatte sie Recht: Jeder Schiffer musste auf der Hut sein und dem mächtigen alte Strom mit Respekt begegnen, sonst konnte man schnell Schiffbruch erleiden. „Ich weiß nicht was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin …“ begann das Gedicht, und Jean kannte es längst auswendig. Traurig aber war er nicht, sondern bis über beide Ohren verliebt in Anni.

Die Hohenzollern am Rhein

Die Pfingsttage waren so schön, dass er Henriettes Familie auf eine Dampferfahrt einlud. Voller Stolz erklärte er das Schiff und die Burgen und Ortschaften auf beiden Rheinseiten. Langsam ging es auf Koblenz zu. „Schaut, das da oben ist die Ruine Stolzenfels. Die Koblenzer haben sie dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm geschenkt.“ Er kicherte: „schon ein bisschen durchtrieben ..“ „Wieso?“ fragte Hubert unschuldig, obwohl er eine Vermutung hatte.

Die Burg war 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört worden und lag seither in Trümmern; doch die Koblenzer hatten nicht die Mittel, um sie wieder aufzubauen. „Nun, es heißt, dass der Kronprinz sehr romantisch veranlagt ist“, lachte Jean, „er zeichnet gut, interessiert sich sehr für Architektur und .. er ist fasziniert vom Mittelalter und den Ritterburgen. Das wussten auch die Koblenzer, und haben ihm eine geschenkt – Stolzenfels! Und jetzt hoffen sie, dass der Kronprinz die nötigen Mittel locker macht und die Burg wieder aufbauen lässt.“ *

* Jahre später kam es ja auch so. Friedrich Wilhelm III. ließ Stolzenfels von Karl-Friedrich Schinkel im englischen neugotischen Stil neu gestalten.

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