Kölner Dom

Köln in den 1880ern
Köln in den 1880ern

[Rheinprovinz, Oktober 1880] Endlich war der Kölner  Dom fertiggestellt! Ein großes Fest stand an, auch das Kaiserpaar wurde erwartet. Man sollte sehen, dass Frieden war zwischen Staat und Kirche. 

Jedes Jahr in den Ferien kam Sophie mit ihren Kindern Lottie und Joscha an den Rhein. Sie fuhren dann mit der Eisenbahn bis nach Speyer in der bayrischen Rheinpfalz, wo sie auf den Rheindampfer ihres Onkel Hans umgestiegen. Darauf legten die Kinder ebenso sehr Wert wie der Onkel. Auch, dass sie im „Stübchen“ im alten Zimmer ihrer Mutter schliefen. In diesem Oktober des Jahres 1880 war auch Graf Andras Csabany in offizieller Mission dabei, und das hatte einen ganz besonderen Grund.

Eine große Feier in Köln

Endlich, fast vierzig Jahre nach dem Dombaufest 1842, war der Kölner Dom fertiggestellt! Am 15. Oktober 1880 begaben sich Kaiser Wilhelm I. und Kaiserin Augusta nach Köln, um der Feier der Vollendung des Doms beizuwohnen.

Aus Anlass des großen Ereignisses hatte man eine Menge geplant, und die Innenstadt um den Dom festlich geschmückt. In respektvoller Entfernung von den Majestäten hatte man Buden aufgebaut, in denen regionale Köstlichkeiten und Getränke ausgeschenkt wurden. Da große Teile des mittelalterlichen Doms aus Trachyt vom Drachenfels erbaut worden waren, wollten auch die Königswinterer nicht fehlen. Auch Lena Bergmann war mit ihrem Mann und einigen Bediensteten mit dabei.

Während Graf Andras Csabany mit den anderen Honoratioren auf der Ehrentribüne saß, hatte sich Sophie mit ihren Kinder zu Lena, Emil und Susan gesellt. Bergmanns waren im letzten Jahr noch einmal nach Amerika gereist, als Lorenz‘ Tochter heiratete, und nun gab es viel zu berichten. Vor allem die kleine Susan brannte drauf, ihrer Freundin Lottie alles zu erzählen. Da wäre das Stillsitzen auf der Ehrentribüne für beide eine arge Anstrengung gewesen.

Die Majestäten kommen

Aus relativ weiter Entfernung sahen sie, wie die Kutsche mit den Majestäten vorfuhr. Kaiser Wilhelm I., über 80 Jahre alt, half galant seiner Kaiserin und Ehefrau Augusta aus der Kutsche. Eigentlich mochte man ihn und hatte sich gefreut, ihn einmal zu sehen, dennoch blieb die Atmosphäre kühl.“Kein Wunder nach allem, was passiert ist“, meinte Emil.

In den letzten Jahren hatte Reichskanzler Otto von Bismarck einen erbitterten Kampf gegen die katholische Kirche, einen „Kulturkampf“ geführt. Die Erzbischöfe von Köln, Münster und Trier waren verhaftet und verbannt worden, Bistümer und Pfarreien waren unbesetzt, katholische Schulen und Orden gab es nicht mehr.

Der Erzbischof ist nicht dabei

Nun war der Kölner Erzbischof bei der Einweihung seines Doms nicht dabei. Auch Lena Bergmann spürte das. „Die Kaiserin kann doch nichts dafür“, sagte sie, „das ganze war Bismarcks Idee, und sie hat oft genug dagegen protestiert.“ Dann wandte sie sich Lottie und Joscha zu. „Das war eine schwere Zeit für das Rheinland“, erklärte sie, „denn die Kirche kümmert sich ja auch viel um arme und kranke Menschen. Eure Oma Anni hat immer wieder Butterbrote gebracht, ganze Körbe voll.“ „Lena hat sie dann verteilt“, ergänzte Sophie mit einem liebevollen Blick auf ihre Freundin. Der Kulturkampf war schließlich auch vielen Protestanten und liberal denkenden Menschen zu weit gegangen. Hier hatten sie dann alle zusammengehalten. „Eure Mama hat uns gebrauchte Kleidung geschickt, die sie liebevoll geflickt und verziert hat“, ergänzte Lena noch.

„Vorsicht, Schatz“, sagte Sophie schnell und trat hinter ihren Sohn Joscha. Der Kleine wollte die Kirchturmspitzen des Doms zu sehen, und lehnte sich dabei arg nach hinten. Sophie hatte ihren Kindern bisher noch nicht viel von den ihrer eigenen Kindheit und der großen Not damals erzählt. Davon, wie ihr Bruder Hans und sie damals ihrer Mutter Anni und ihrer Oma Henriette geholfen hatten, Butterbrote für die ärmeren Schulkinder einzupacken. Ihr Opa Hubert hatte sie dann verteilt. Lottie und Joscha wuchsen ohne Not auf, und doch sahen sie, dass vieles im Leben harte Arbeit war, und dass es Menschen gab, die trotz harter Arbeit kein schönes Leben hatten. Sie waren gerne im Lehrbetrieb ihre Mutter, schauten zu und beeilten sich, heruntergefallene Dinge aufzuheben. Sie spürten, dass hier etwas Wertvolles geschah.

„Habt Ihr schon einmal Reibekuchen probiert?“ fragte Sophie ihre Kinder. „Dann werden wir die heute Abend mit Oma Anni machen, und morgen erzähle ich Euch, was in unserem Stübchen zur meiner Kindheit alles passiert ist.“

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