Hotelbetrieb oder Steinbrüche?

Hotel Nelles auf dem Petersberg
Hotel Nelles auf dem Petersberg

[Rheinprovinz, um 1907] Der Petersberg war eine feine Adresse, sogar Vertreter des europäischen Hochadels logierten oben im Hotel Nelles. Man fuhr mit der Zahnrad hoch. Zugleich ging der Steinbruch weiter.

Joscha Csabany war zu Besuch bei seiner Familie am Rhein und genoss den Aufenthalt sehr. Mit der Zahnradbahn wollten sie auf den Petersberg fahren und in dem neuen Hotel speisen. Das war noch nicht alles. Seit kurzem verfügte das Weingut Bergmann über ein Automobil, und Matthias hatte ihm einen Ausflug am Rhein entlang versprochen.

Kurz bevor sie abfuhren, rannte der kleine Walter noch einmal zurück in sein Kinderzimmer und kam mit einem Helm wieder, der zu seiner Ritterrüstung gehörte. „Ich leihe ihn Dir gerne“, sagte er zu Joscha, „am Petersberg müssen wir nämlich aufpassen. Die Steinbrecher nehmen so viel Dynamit und Schwarzpulver, dass die Steine auf das Hotel fliegen und die Gäste in Deckung gehen müssen.“

Hotel Nelles

Vor einigen Jahren hatten die Brüder Paul und Joseph Nelles aus Köln die Bergkuppe des Petersbergs erworben und dort ein prächtiges Hotel gebaut, seit Frühjahr 1891 lief der Hotelbetrieb. Zu dieser Zeit fuhr bereits eine Zahnradbahn hinauf, und so war der Petersberg eine äußerst attraktive Adresse hoch über dem Rhein, und doch bequem zu erreichen. Schon bald fanden sich nicht nur gutbürgerliche Kreise, sondern auch die Schönen und Reichen auf dem Petersberg ein, unter ihnen Kaiserin Victoria und andere Vertreter des europäischen Hochadels.

Inhaberin und Gastgeberin war nun die Witwe Nelles. Das Hôtel warb mit der landschaftlichen Schönheit des Petersbergs, den herrlichen Aussichten ins Rheintal und weit darüber hinaus, und allem modernen Komfort. Von eleganten Zimmern, repräsentativen Salons, gehobener Küche bis zum Telefon- und Telegraphenanschluss. Ja, man schrieb es weltmännisch-französisch mit dem Akzent auf dem ô. Die Gäste konnten mit der Zahnradbahn hinauffahren und hatten in Königswinter Anschlüsse an alle Züge der Staatsbahn und der Dampfschifffahrt. Nur mussten sie zuvor noch ein Stückchen durch das Städtchen Königswinter gehen.

Nelles gegen Meyer

Doch auch am Petersberg wurde in zwei Steinbrüchen weiter Basalt abgebaut; einer gehörte der Familie Nelles selbst. Der andere, an der Heisterbacher Seite gelegen, wurde von der Firma Meyer betriebenen und war den Hoteliers ein besonderer Dorn im Auge. Die Meyer’schen Arbeiter sprengten die Steine aus dem Berg, und das war für die Hotelgäste und Ausflügler nicht nur störend, sondern direkt gefährlich. Inzwischen waren die Schäden am Petersberg so gewaltig, dass die Heisterbacher Aussichtsplattform einzustürzen drohte. Für die Hoteliers war das alles geschäftsschädigend.

Die Witwe Nelles beantragte beim Regierungspräsidenten ein Verbot der Sprengungen, und es kam zu einer langen Auseinandersetzung. Schließlich gab der Steinbruch nicht mehr viel her, und mit dem schwebenden Verfahren war der Betreiber bereit, den Bruch für einen weniger hohen Preis an den VVS zu verkaufen. Im März 1903 konnte der Steinbruch stillgelegt werden.

VVS gegen Nelles

Wandte sich der Hotelbetrieb Nelles gegen den Meyer’schen Steinbruch – mit dem eigenen, aufgemacht von Paul Nelles, hatte man kein Problem. Der VVS vermutete Spekulation. Nach der Verordnung des Oberpräsidenten von 1899 war gleich eine Strafverfügung und eine Stilllegungsverfügung gegen Paul Nelles ergangen. Der war gegen beides gerichtlich vorgegangen und hatte 1902 Recht bekommen. Die Verordnung verstoße gegen Reichs- und Landesrecht und sei mithin ungültig, hatte das Oberverwaltungsgericht erklärt. Doch kurz drauf hatte der Regierungspräsident mit Datum vom 3. Mai 1902 eine geschickt verfasste Änderungsverordnung erlassen, mit der er die Bedenken der Gerichte ausräumen konnte. Diese Verordnung würde Bestand haben, die Naturschützer konnten aufatmen.

Eine zweite Lotterie hatte die finanziellen Mittel des VVS neu aufgefüllt. Dann hatte er Verhandlungen mit Paul Nelles aufgenommen, doch man war zu keiner Einigung gekommen. Nelles hatte daraufhin seinen Steinbruch an eine kleine Steinbruchfirma verkauft. Nun rief der VVS zum Boykott von Petersberg-Basalt auf und scheute sich auch nicht, mit der großen Basalt AG aus Linz zusammenzuarbeiten, die den lästigen Konkurrenten vom Petersberg loswerden wollte.

Nelles muss aufgeben

Wirklich rentabel lief der Hotelbetrieb Nelles trotz aller Anstrengungen nicht. Paul Nelles musste schließlich aufgeben, sein gesamter Besitz am Petersberg wurde zwangsversteigert. Am 30. April 1908 ersteigerte ihn der VVS, und endlich konnten die letzten Steinbrüche am Petersberg stillgelegt werden.

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