Der Kampf gegen die Steinbrüche

Margarethenhöhe, Geldlotterie für das Siebengebirge
Margarethenhöhe, Geldlotterie für das Siebengebirge

[Rheinprovinz, 1899] Im Zuge des Straßen- und Eisenbahnbaus wurde der Abbruch von Basalt am Petersberg und am Ölberg immer intensiver. Der Kampf gegen die große Steinbrüche im Siebengebirge ging weiter.

Nach der Schließung des Steinbruchs an der Rheinseite des Petersbergs war Humbroichs „Verein zur Rettung des Siebengebirges“ wieder im VVS aufgegangen. Der wollten sich nun viel stärker als bisher für den Erhalt und den Schutz des Siebengebirges einzusetzen.

Eine Geldlotterie für die Erhaltung des Siebengebirges

Im „Stübchen“ herrschte reger Betrieb. Männer und Frauen kamen und gönnten sich ein Stück Kuchen und Kaffee und Kakao, und Jakob schenkte immer wieder freigiebig nach. Die Gäste drängten sich um den Infostand zur Siebengebirgslotterie, den er auf einem Ecktisch aufgebaut hatte. Auch im Stübchen konnte man sich genau informieren und Lose der Siebengebirgslotterie kaufen.

An der Wand hinter dem Tisch hingen ein großes Bild Kaiser Wilhelm II., darunter eine Abschrift der Dankadresse an Seine Majestät, daneben Bilder des Oberpräsidenten der Rheinprovinz Berthold von Nasse und des Königlich Preußischen Landwirtschaftsministers von Hammerstein, beide waren inzwischen Ehrenmitglieder des VVS. Und natürlich ein großes Poster zu Sinn und Zweck der Lotterie. Auf einem Tisch stand ein Karton mit den Losen und eine Kasse, überall lagen Bilder, Zeichnungen, Flugschriften. Wegen des großen Andrangs halfen Bergmanns beim Verkauf. Heute hatte Emil Bergmann „Dienst“, begleitet von seiner Enkelin Marie.

Eben legte ein Gast ein Bild vom Ölberg aus der Hand. Dort war es am ärgsten, denn ein riesiger Steinbruch bedrohte den Berg. Doch ein Steinbruch lohnte sich nur, wenn es eine günstige Anbindung zum Transport der Steine gab. „Die Bröltaler Eisenbahn plant schon weitere Strecken im Siebengebirge, u.a. zu den Steinbrüchen am Ölberg“, sagte er deprimiert. Jakob war optimistischer. „Nicht verzweifeln, erst einmal muss der Oberpräsident von Nasse die Konzession erteilen“, sagte er, „und auf ihn ist Verlass“.

Oberpräsident von Nasse

In der Tat hatte der VVS in Berthold von Nasse, dem amtierenden Oberpräsidenten der Rheinprovinz, einen wichtigen Verbündeten. Neue Eisenbahnstrecken genehmigte er nur, wenn sie das Siebengebirge nicht gefährdeten, solche zum Transport von Steinen gar nicht. Nun lächelte auch der Gast. „Ja, und dann hat er den Boykott von Basalt aus dem Siebengebirge organisiert, und viele rheinische Städte machen mit. Als Bauherrn im Straßen- und Wegebau sind die Rheinprovinz und die Städte ja Großabnehmer. Jetzt muss bei jeder Basaltlieferung angegeben werden, wo die Steine gebrochen wurde, und Basalt aus dem Siebengebirge kaufen sie gar nicht. Ich muss schon sagen, ein preußischer Oberpräsident und ein Boykott, das hätte ich nicht gedacht!“

Landwirtschaftsminister von Hammerstein

„Auf unseren Landwirtschaftsminister von Hammerstein können wir auch stolz sein“, sagte ein anderer Gast, „ohne seine Unterstützung hätten man uns die Lotterie nicht genehmigt.“ Der preußische Landwirtschaftsminister von Hammerstein stand seit einem Besuch im Siebengebirge im Juli 1897 auf der Seite der Naturschützer. Da es keine Naturschutzgesetze mit Sanktionsmöglichkeiten gab, blieb nur, möglichst viel Gelände und bestehende Steinbrüche aufzukaufen und dann stillzulegen. Dazu brauchte man Geld, viel Geld, und im schlimmsten Fall ein Enteignungsrecht. Das ging aber nicht einfach so – die königliche preußische Regierung und Wilhelm II., deutscher Kaiser und König von Preußen, mussten es genehmigen.

Eingabe an die Staatsregierung

Im Sommer 1897 hatte der VVS die Lotterie und die Bewilligung des Enteignungsrechts bei der Königlich Preußischen Staatsregierung beantragt und am 24. November 1897 zudem eine Immediateingabe an Wilhelm II. gemacht. Und tatsächlich, auch Seiner Majestät lag an der Rettung und Erhaltung des Siebengebirges. Mit diesem Votum hatte er die Immediateingabe am 3. Dezember 1897 an die zuständigen Minister weitergeleitet und auch dem Oberpräsidenten von Nasse persönlich das Allerhöchste und lebhafte Interesse am Erhalt des Siebengebirges versichert.

Im Februar und März 1898 hatten die Königlichen Minister beraten. Während Landwirtschaftsminister von Hammerstein das Anliegen unterstützte, war der Finanzminister strikt dagegen. Der Kultusminister und der Innenminister standen eher auf der Seite des VVS. Alle drei Minister forderten eine finanzielle Beteiligung der Rheinprovinz an den Rettungsmaßnahmen. Oberpräsident von Nasse schaffte es dann, den Provinzialverband und die Städte Köln und Bonn mit ins Boot zu holen, alle leistete hohe Zuwendungen. Schließlich, am 16. Dezember 1898, kam gegen das Votum des Finanzministers ein Kabinettsbeschluss zugunsten der VVS zustande.

Kaiser Wilhelm II. stimmt zu

Am 15. März 1899 kam dann über den Oberpräsidenten von Nasse der offizielle Bescheid. Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. hat dem VVS am 18. Januar 1899 für die Erhaltung des Siebengebirges eine Geldlotterie mit einem Reinertrag von 1.500.000 Mark genehmigt und das Recht verliehen, „das zur Erhaltung der landwirtschaftlichen Schönheit des Siebengebirges erforderliche Grundeigentum im Wege er Enteignung zu erwerben.“

Ein Jahr später konnte Jakob seine Freunde und Helfer zu einer Feier ins „Stübchen“ einladen. Es war genug Geld zusammengekommen, um weite Gebiete im Siebengebirges kaufen und zahlreiche Steinbrüche stillzulegen.

Die Polizeiverordnung gegen Spekulation

Oberpräsident von Nasse hatte noch eins drauf gesetzt. Er hatte wohl gesehen, dass im Siebengebirge Steinbrüche aufgemacht, aber nicht betrieben wurden. Hier ging es allein darum, vor etwaigen Verhandlungen mit dem VVS die Preise in die Höhe zu treiben. Diese Spekulation wurde am 26. Oktober 1899 durch eine Polizeiverordnung unterbunden. Nach dieser Verordnung durften „keine gewerblichen Anlagen, insbesondere keine Fabriken, Steinbrüche und Ziegeleien, welche bei regemäßigem Betrieb durch Verbreitung schädlicher oder belästigender Dünste, starken Rauch oder größere Staubmengen, durch Steinfall, durch Erregung ungewöhnlichen Geräuschs oder in derer Weise Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für das Publikum oder den Verkehr herbeigeführt können, neu hergestellt und neu betrieben werden, auch bestehende Gebäude dazu nicht einrichtete werden.“

Was wird aus den Steinbrucharbeitern?

Naturfreunde und Besucher aus dem ganzen Rheinland jubelten, doch in den Städtchen und Dörfern im Siebengebirge liefen Gewerbebesitzer Sturm, fürchteten Steinarbeiter die Arbeitslosigkeit und gründeten Arbeitervereine. Die Stadtoberen von Königswinter und Oberpleis protestierten, auch die Handelskammer Bonn wollte den Steinabbau nicht verbieten, sondern nur genau reglementiert sehen. Die „Siebengebirgsfrage“ wurde sogar in der Preußische Abgeordnetenkammer in Berlin diskutiert.

Im „Stübchen“ saß Jakob mit Bergmanns zusammen. „Die Zeitungen sind voll davon, sogar die Berliner Presse“, sagte Jakob, und wies auf den Stapel Zeitungen auf dem Tisch, „die meisten möchten unser Siebengebirge in seiner ganzen Schönheit erhalten, aber nicht die Steinbrucharbeiter darüber vergessen“.

Emil nickte zustimmend. „Nein, das wollen wir wirklich nicht“, antwortete er, „und dieser ganze Kleinkrieg hilft nicht weiter. Es heißt, dass hier am Rhein viele tüchtige Arbeiter gesucht werden, da muss es möglich sein, für die Steinbrucharbeiter etwas Neues zu finden.“ „Der VVS hat allen Arbeitern des Steinbruchs Ölberg Arbeit im Verein angeboten, und bemüht sich stets betroffenen Arbeiter weiter zu vermitteln“, sagte Matthias. Und dann strahlte er. „Ich weiß das so genau, weil einer davon zum nächsten Ultimo bei uns auf dem Weingut anfängt. Außerdem stellen wir zwei ganze junge Kerle als Lehrlinge ein. Wenn sie sich gut machen und lernen, haben sie auch für ihre Zukunft mehr Optionen. Die Schwerstarbeit in den Steinbrüchen kann man nicht ewig machen.“

Hilfe für die Familien

„Wir wollen auch für die Familien was tun“, ergänzte Lottie, „ich habe mit Mama gesprochen, sie stellt aus ihrem Ausbildungsprogramm Mittel zur Verfügung, damit wir kostenlose Nähkurse für die Frauen und Mädchen anbieten können. Der Pfarrer hat schon einen Raum dafür gefunden. Mama wird selbst kommen, und ihre Reputation wird helfen, diesen Frauen Türen zu öffnen.“ Sie erschrak über ihre eigenen Worte, dann sagte sie: „Ich sage das, weil unsere Gesellschaft nicht fair ist. Dass man tüchtig ist, reicht oft nicht. Wer wüsste das besser als Mama.“

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Verschönerungsverein für das Siebengebirge
Das Siebengebirge, Natur, Landschaft, Kultur, Köln 2002

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