Alle sind verdächtig!

Die Geheimpolizei in der Schule
Die Geheimpolizei in der Schule

[Rheinprovinz, Mitte der 1830er Jahre] „Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den Bund der Freiheit schwört! Vaterland – Volkshoheit – Völkerbund hoch!“ hatten die Redner auf dem Hambacher Fest gerufen.

Die Menge hatte ihnen zugejubelt. Staatskanzler Metternich in Wien hingegegen hatte genug gesehen. nun drang er mit aller Entschiedenheit auf die Einhaltung der Karlsbader Beschlüss. Am 28. Juni 1832 verabschiedete der Bundestag in Frankfurt den „Bundestagsbeschluss über Maßregeln zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und Ruhe in Deutschland“. Neue Demagogenverfolgungen begannen, zudem wurden Presse und Literatur noch strenger zensiert. Mit Beschluss des Bundestages vom 10. Dezember 1835 wurden alle Veröffentlichungen des „Jungen Deutschlands“ und Heinrich Heines in den Staaten des Deutschen Bundes verboten.

Auch Heine wird verboten

Traurig nahm Jean Heines „Buch der Lieder“ in die Hand, obwohl er viele Gedichte, allen voran „Die Nacht auf dem Drachenfels“ längst auswendig konnte. Auch das „Buch der Lieder“ war zensiert worden. Jean fühlte mit dem Dichter, der unter der Zensur sehr leiden musste, und wohl wegen seines jüdischen Hintergrundes kein Bein auf die Erde bekam. Heine lebte jetzt in Paris und schrieb für die Augsburger Allgemeinen Zeitung. Doch Staatskanzler Metternich hatte schon beim Verleger interveniert, und bald darauf wurde Heines Artikelserie eingestellt.

Eigentlich hätte Jean „Buch der Lieder“ gar nicht mehr haben dürfen, denn seit seit 1833 waren Heines Werke im Staat Preußen, und damit auch in seiner rheinischen Heimat, verboten. Jean aber spürte ihn jeder Zeile Heines die tiefe Verbundenheit des Dichters mit seiner Heimat, und war tief bewegt. Diese Werke würde er nie weggeben.

Göttinger Sieben

Kurze Zeit später kam eine schlimme Nachricht aus dem Königreich Hannover. Ungefähr 125 Jahre lang war der Herrscher von Hannover in Personalunion König von England gewesen, nun war die Personalunion gelöst worden und der neue König Ernst August I. von Hannover hatte die 1833 eingeführte, relativ liberale Verfassung wieder aufgehoben. Gegen diesen Rechtsbruch verwahrten sich sieben Professoren der Universität Göttingen, die „Göttinger Sieben“, unter ihnen die Brüder Grimm. „Unsere unabweisliche Pflicht ist, offen zu erklären, dass wir uns durch unseren auf das Staatsgesetz geleisteten Eid fortwährend verpflichtet halten. Sobald wir von der studierenden Jugend als Männer erscheinen, die mit ihren Eiden ein leichtfertiges Spiel treiben, ebensobald ist der Segen unser Wirksamkeit dahin.“

Daraufhin verwies der König die Professoren des Landes, doch wo sie auch hinkamen, wurden sie herzlich und voller Bewunderung empfangen. Die Menschen sammelten sogar Geld, damit die Professoren über die Runden kämen, bis sie eine neue Anstellung fanden. Die Behörden hingegen reagierten verstockt; der preußische Innenminister sprach sogar vom „beschränkten Untertanenverstand“.

„Der preußische Staat braucht fähige Bürger!“

Auch Hubert fühlte sich auf Schritt und Tritt beobachtet. Er war jetzt über 50 Jahre alt und als Lehrer nur noch geduldet. Und auch das nur, weil es noch immer nicht ausreichend Lehrer auf dem Dorf gab. Man ließ ihn nur noch mit den Kindern rechnen – die Lesestunden und seine geliebten Geographiestunden hatten längst andere Lehrer übernommen. Sie würden nicht von Amerika erzählen, Bilder von dort zeigen und vielleicht Sehnsucht nach dem „Land der Freien“ wecken.

Dafür erzählte man in manchen Salons jede Menge Unsinn über die USA. Auch in den 1830er Jahren zogen viele deutsche Auswanderer nach Amerika, diesmal vor allem nach Texas, was jenseits der „zivilisierten“ Welt lag, wo wilde Indianer lebten und amerikanische Pioniere ausgezogen waren, das Land mit seinen unendlichen Wüsten und Canyons den Spaniern abzutrotzen. Der eine oder andere Herr in den Salons wurde nicht müde, die wilden Indianer mit ihren halbnackten, buntbemalten Körpern in allen Einzelheiten zu beschreiben, während die sittlich gekleideten Damen am Klavier aufs tiefste erröteten. Davon, dass Tausende Indianer durch Zwangsumsiedlung umgekommen waren, und dass viele der deutschen Auswanderer durchaus in Frieden mit den Indianern leben konnten, sprachen sie eher nicht.

An manchen Tagen wollte Hubert am liebsten alles hinschmeißen und fortgehen, obwohl er seine Heimat liebte. Aber Henriette hätte eine so lange Seereise nicht überstanden, und ohne seine Frau würde er nicht gehen. Und die Kinder, die brauchten ihn weiter. Es gab so viele, die nur unregelmäßig zur Schule kommen konnten und ohne zusätzliche Unterstützung kaum mitgekommen wären. Mit diesen Kindern übte er weiter. Genauso, das wusste er, machte es sein Cousin Niklas drüben in den USA. „Der preußische Staat braucht fähige Bürger“, sagte er dann, „schon Friedrich II. hat den Kindern gesagt, dass seine Soldaten ordentlich lesen und schreiben können müssen. Das ist also eine alte preußische Tradition“.

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