[Europa, 1915/16] Seit der Wende an der Marne tobte im Westen ein Stellungskrieg. Millionen Soldaten lagen sich in Schützengräben gegenüber. Im Osten befand sie sich die k.u.k. Armee in einer katastrophalen Lage.
Auch für Hauptmann Joscha Csabany in Ungarn war es eine schwere Zeit. Vom frühen Morgen bis in die Nacht tat er sein Möglichstes, den Betrieb auf dem Landgut seiner Familie am Laufen zu halten. Doch längst war alles dem Krieg untergeordnet. Das Csabany-Landgut war Etappe, das Haus ein Regenerationslazarett, dazu kam eine Feldpoststation und ein Übungsplatz. Sein Vater Graf Andras Csabany in Wien hattee alle Betriebe mobilisiert, mit denen seine Frau Sophie zusammengearbeitet hatte, nun stellten sie Uniformen her. So gut es ging half er, die Menschen in seiner Umgebung zu versorgen, doch es fehlte an allem.
Gedanken aneinander
Die Briefe seiner Angehörigen und Freunde gaben auch Joscha Kraft. Er betete mit ihnen für Matthias und all die anderen draußen an der Front. „Immer mehr Verletzte werden zu uns gebracht“, schrieb er an Lottie, „unser Gut platzt aus allen Nähten. Mir ist weh ums Herz, wenn ich diese armen Burschen sehe. Der diensthabende Offizier hier ist in Ordnung. Unsere wenigen Lebensmittel werden gerecht verteilt, hier kriegt jeder etwas ordentliches, egal ob Offizier oder Mannschaft.“ An Marie schrieb er noch: „Du, Kathi und Walter, auch Euch raubt der Krieg die Jugendjahre. Ich hätte so gerne auf dem Fest zum Schulabschluss mit Dir getanzt. Manchmal stelle ich mir vor, wie wir das tun, wenn dieser schreckliche Krieg einmal vorbei ist.“
Einige Zeit später bekam er einen Brief von Marie mit einem Foto von ihnen dreien. Kathi saß schon im Auto, Marie und Walter luden die letzten Postsäcke ein. Alle drei sandten liebe Grüße an ihn. „Du musst Dir um uns nicht gar so arge Sorgen machen“, schrieb Marie. „Gewiss, unsere Welt wird nie mehr sein wie zuvor, doch dieser ganze Pomp hat uns nie etwas bedeutet. Erinnerst Du Dich an die eingebildete Dame mit diesem unsäglichen Hut, die wir vor Jahren am Petersberg gesehen haben? Jetzt versteht sie die Welt nicht mehr und ist froh, dass sie von uns noch etwas bekommt. Kathi und Walter sind mit anderen Werten groß geworden, ihr Reichtum liegt in ihrem Wesen, und das werden wir nicht verlieren, so lange wir uns gegenseitig Kraft geben.“
Schlachten in den Karpaten 1915
Das Schicksal der seit November 1914 erneut eingeschlossenen Festung Przemyśl und ihrer Verteidiger beschäftigte die Menschen in Österreich-Ungarn, Militärs und Öffentlichkeit gleichermaßen. 130.000 Mann waren dort eingeschlossen. Man wollte sie befreien, und außerdem musste man Stärke zeigen, um Italien und Rumänien davon abzuhalten, auf Seiten der Entente in den Krieg zu ziehen.
Im eisigen Winter kämpfte der größte Teil der k.u.k. Truppen, verstärkt um deutsche Regimenter, in den Karpaten. Doch man hatte die Unwegsamkeit des Geländes und den Winter unterschätzt. Es gab nur wenige befestigte Straßen und Eisenbahnlinien, kaum Nahrung und Schutz vor der eisigen Kälte für Mensch und Tier, und der Nachschub an Munition und Lebensmitteln kam kaum woran. Zudem trafensie Ende Januar 1915 auf die russische Armee.
„Hunderttausende Soldaten liegen im eisigen Winter in den Karpaten“, schrieb Joscha. „Papa hat alle Betriebe mobilisiert, mit denen Mama zusammengearbeitet hat, sie produzieren nun auf seine Rechnung warme Uniformen und Kleidung, damit wenigstens einige der armen Kerle dort draußen gegen die Kälte geschützt sind. Doch es wird immer schwerer, überhaupt Stoff zu bekommen. Wir haben sogar schon einen Laster gemietet und fahren die Sachen selbst an die Front, denn der Transport funktioniert kaum noch.“
Eine schlimme Niederlage
Alle Entlastungsangriffe für Przemysl wurden von der russischen Armee abgewehrt, beide Armeen erlitten dabei schwere Verluste. Viele Männer starben durch Erschöpfung, Erfrierung und Krankheit. Schließlich wurde die Verteidigung von Przemyśl aussichtlos. Daher erbat der Kommandant von Kaiser Franz I. Joseph die Genehmigung einer ehrenvollen Übergabe, und der Monarch stimmte zu. Es blieb nur noch Zeit, alle Waffen, die Festungsanlagen und das gesamte Kriegsmaterial zu zerstören. Am 22. März rückten russische Verbände in die Stadt ein. Der Kommandant ging mit mit 120.000 Soldaten in russische Kriegsgefangenschaft.
„Ich weiß nicht mehr, was ich den vielen Bauersleuten noch sagen soll, die einen Angehörigen verloren haben oder vermissen“, schrieb Joscha an Marie, „viele fühlen sich gänzlich verlassen. Manchmal ist alles, was ich tun kann, bei ihnen zu sein, mit ihnen zu sein.“
Marie wusste kaum Tröstendes zu sagen. Immer mehr Menschen begriffen, dass es mit einem schnellen Sieg nichts werden würde, auch wenn die Kriegspropaganda keine Zweifel am Sieg Deutschlands und seiner Verbündeten aufkommen lassen wollte. „Immer häufiger werden die Truppen verschoben, einige auch weit nach Osten, und viele Familien wissen nicht, wo ihre Liebsten sind“, schrieb sie, „Briefe brauchen oft wochenlang. In dieser schrecklichen Ungewissheit wird es Ihnen ein bisschen Trost schenken, dass es dort weit im Osten Menschen wie Dich gibt, die nach besten Kräften helfen.“
Gegenschlag und Durchbruch in Galizien
Im Osten des Deutschen Reiches hatten die Truppen den russischen Vormarsch stoppen können, denn in der Winterschlacht in Masuren im Februar 1915 hatten sie gesiegt. Doch für die deutsche Oberste Heeresleitung (OHL) war offenkundig, dass die k.u.k Armee nicht mehr in der Lage war, die Front in Galizien zu halten. Mitte April 1915 schlug der deutsche Generalstabschef Falkenhayn seinem k.u.k. Amtskollegen Conrad von Hötzendorf einen gemeinsam durchgeführten gezielten Schlag in Galizien vor.
Bei Gorlice-Tarnów gelang den verbündeten österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen Anfang Mai 1915 ein bedeutender Durchbruch. Mitte Mai hatte deutsche Truppen den San erreicht, am 4. Juni 1915 konnte Przemyśl wiedererobert werden, und am 22. Juni 1915 zogen k.u.k. Truppen in Lemberg ein.
Vorstoß nach Osten
Nun sollte es nicht bei dem einen gezielten Schlag bleiben. Die russische Armee war durch den Karpatenwinter mindestens ebenso ausgelaugt wie die k.u.k. Truppen, daher wollte man nun die Offensive so weit als möglich voranzutragen. Im Norden und Osten nahmen deutsche Streitkräfte im August und September Warschau, Kaunas, Brest-Litowsk und Wilna ein. Russisch-Polen, Litauen, Kurland und die westliche Ukraine fielen an das Deutsche Reich; erst im September kam der Vormarsch kurz vor Riga zum Stehen. Millionen Menschen waren auf der Flucht. In den eroberten Gebieten im Osten wurde unter dem Kommando von General Ludendorff ein neuer Militärstaat errichtet – das Land Ober Ost.
Kriegserklärung Italiens
Ende Mai 1915 erklärte Italien Österreich-Ungarn den Krieg. Bald tobten am Isonzo und in den Dolomiten mörderische Schlachten. Für viele Österreicher war Italien nun der Hauptfeind, gegen den zu kämpfen ein ‚gerechter Krieg‘ war. Auch die slawischen Soldaten der Monarchie waren gegen die Italiener einsatzbereiter als gegen Russen und Serben.
Sieg über Serbien
Am 6. September schlossen die Mittelmächte ein Bündnis mit Bulgarien, damit hatten sie eine Landverbindung zur mit verbündeten Türkei. Mit deutscher und bulgarischer Hilfe konnte Österreich-Ungarn Serbien besiegen; doch die serbische Armee zog sich nach Albanien zurück und kämpfte von dort weiter.
Giftgas
Im Westen zogen sich die Schützengräben von der Schweizer Grenze bis zur belgischen Kanalküste, oft nur wenige Dutzend Meter voneinander entfernt. Hunderttausende starben für wenige Meter Geländegewinn.
Bei der Zweiten Flandernschlacht im April/Mai setzte die deutsche Armee zum ersten Mal Giftgas ein. Für fünf Minuten wurde Chloringas, ein Chlorgasderivat, aus 6.000 Stahlflaschen abgelassen. Eine weißgelbe Giftwolke wälzte sich auf 6 km Breite gegen die französisch-algerischen Stellungen, rund 5.000 französische Soldaten starben dabei, etwa 10.000 wurden verletzt. Bald setzte auch die Entente Giftgas ein.
Ein deutsches U-Boot torpediert die „Lusitania“
Im Kampf gegen die britische Flotte und die Seeblockade konnte nach Einschätzung der deutsche Admiralität nur der Einsatz der neuen U-Boote helfen. Daher hatte das Deutsche Reich im Februar 1915 das Seegebiet um die Britischen Inseln zum Kriegsgebiet erklärt, in dem jedes Schiff ohne Warnung torpediert wurde.
Am 7. Mai 1915 torpedierte ein deutsches U-Boot das von New York kommende britische Passagierschiff „Lusitania“ nahe der Südwestküste Irlands. Unter den 1198 Menschen, die dabei umkamen, befanden sich 124 Amerikaner. Die USA unter Präsident Wilson protestierten scharf und drohten ihrerseits mit Krieg. Ab Frühjahr 1916 wurden Handelsschiffe nicht mehr ohne Warnung versenkt.
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