[Rheinprovinz und Brüssel, Juli 1914] Die Militärs des Reiches rechneten schon seit Jahren damit, dass ein Krieg für sie ein Zwei-Fronten-Krieg werden würde: gegen Frankreich im Westen und gegen Russland im Osten.
Schlieffen-Plan
Dafür hatte man einen Plan entwickelt, den Schlieffen-Plan. Man ging davon aus, dass die Mobilisierung der Truppen im riesigen Russischen Reich deutlich länger dauern würde als in Deutschland, und wollte diesen Vorsprung nutzen. Blitzartig sollten deutsche Truppen in Frankreich eindringen und die französische Armee in einem schnellen Bewegungskrieg vernichten. Danach stünde die gesamte Armee für den Krieg gegen Russland zur Verfügung. Da Frankreich aber einen deutschen Angriff an seiner Ostgrenze erwartete, wollten die Generäle durch Luxemburg und Belgien marschieren. Aber Belgien war neutral.
Ein letzter Besuch in Brüssel
Noch einmal wollte Sophie nach Brüssel. An ihrer alten Wirkungsstätte wollte sie sich vergewissern, dass alle ihre Schützlinge gut versorgt waren, und noch einmal das Grab ihres geliebten Großvaters Hubert besuchen. Ihr Mann Graf Andras Csabany hatte darauf bestanden, sie zu begleiten. Rechtzeitig zum Beginn der Schulferien ihrer Enkel und Maries Schulabschluss wollte sie wieder da sein.
So stiegen sie beide in den Zug. Über Köln, Aachen, Herbesthal an der Grenze ging es über Löwen nach Brüssel. Sophies Opa Hubert war auf der Jungfernfahrt der Eisenbahnlinie nach Belgien gefahren, auch sie kannte die Verbindung gut; aber vielleicht wäre es das letzte Mal in Frieden. Wahrscheinlich würden auf der Linie bald Soldaten und Kriegsmaterial transportiert werden.
In Brüssel angekommen, besuchten sie die Haus, wo Sophie als Kind gelebt hatte, und auch ihr gemeinsames Haus während der Diplomatenzeit in Brüssel. Um kein Aufsehen zu erregen, waren sie in einem Gästezimmer der Österreichisch-Ungarischen Botschaft untergebracht.
Unermüdlich war Sophie in diesen heißen Julitagen unterwegs. Es zog sich etwas hin, denn sie wollte sichergehen, dass auch wirklich alles gut geregelt war. Dabei übernahm sich die ältere Dame und brach zusammen. Ihr Mann war sofort bei ihr, man holt eiligst einen Arzt, doch Sophies Herz hatte aufgehört zu schlagen. Sie war einem plötzlichen Herzversagen erlegen.
Abschied von Sophie
Graf Csabany war erschüttert. Seine Stimme brach, als er seine Kinder Lottie und Joscha informierte. Wenige Tage später standen sie gemeinsam auf dem Friedhof in Brüssel. Sophie sollte neben ihrem Großvater ihre letzte Ruhe finden. „Das einzige, was mich tröstet, ist dass sie sich immer einen solchen Tod gewünscht hat“, sagte Graf Andras leise, „schnell, ohne langes Leiden, aktiv bis zuletzt.“
Während die Trauergemeinde stumm am Grab Abschied nahm, trat ein Mitarbeiter der Botschaft auf den Grafen zu. Er hatte eine ganze Weile im Hintergrund gewartet. „Graf, bitte, es tut mir sehr leid. Wir haben gerade erfahren, dass Österreich-Ungarn das Ultimatum an Serbien bald übergeben wird. Viele hier glauben, dass Österreich und vor allem Deutschland den Krieg wollen. Wir sorgen uns um Ihre Sicherheit. Sie sollten bald abreisen, damit Sie sicher nachhause kommen.“
Gemeinsam fuhren sie zurück an den Rhein. Wenig später mussten Vater und Bruder Csabany zurück nach Österreich. Schweren Herzens verabschiedeten sie sich von Lottie, Familie und Freunden. „Wollt Ihr nicht doch mit nach Wien kommen?“, fragte Graf Andras, fast ein wenig gegen besseres Wissen, „der Rhein ist so nahe an Frankreich.“ Lottie lächelte unter Tränen. „Nicht näher als Wien an Serbien“, antwortete sie, „gib‘ auf Dich acht, Papa!“
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