Hoher Besuch am Drachenfels

Kronprinz Friedrich WIlhelm, Siebengebirge von Rolandseck
Kronprinz Friedrich WIlhelm, Siebengebirge von Rolandseck

[Juli 1815, Königswinter] Das Städtchen stand Kopf, denn Kronprinz Friedrich Wilhelm war am Drachenfels! Oma Limbach fertigte ihre ersten Hüte für die Damen, ihre Schwiegertochter Henriette schenkte Schokolade aus.

Eine neue Administration

Nun gehörten die Rheinlande also zu Preußen. Noch von Wien aus hatte König Friedrich Wilhelm III. am 5. April ein Patent erlassen, in dem er seine neuen Gebiete in Besitz nahm. Am 15. Mai hatte man ihm gehuldigt. Einen Monat später, am 15. Juni, hatte man das Generalgouvernement Berg offiziell aufgelöst. Der Generalgouverneur vom Mittel- und Niederrhein, August Sack, übernahm am 15. Juni 1815 auch die Verwaltung Bergs bis zur endgültigen Einrichtung der preußischen Verwaltungsbehörden im April 1816.

Auch für Hubert und seine Familie brachte die offizielle Auflösung des Generalgouvernements in Düsseldorf Veränderungen, denn die neue Administration hatte ihren Sitz nicht mehr in Düsseldorf. Stattdessen sollten Köln für Jülich-Kleve-Berg und Koblenz für Trier, Aachen die neuen Regierungssitze sein. Huberts nächste Aufgabe war, die preußischen Spitzenbeamten beim Aufbau einer neuen Verwaltungsgliederung zu unterstützen; dazu würde er sie durch das Land begleiten und viel unterwegs sein. So entschied der Familienrat, dass Henriette und die Kinder gleich nach Hauseins Limbach-Häuschen ziehen würden, während sich Hubert in Köln eine bescheidene Unterkunft mieten sollte. Sobald die preußische Verwaltung stand, würde er eine andere Aufgabe übernehmen und zu seiner Familie ziehen.

Altpreußen und die Rheinlande

Doch wie würde das werden, Altpreußen und die Rheinlande unter einer Krone? König Friedrich Wilhelm III. waren die Rheinlande suspekt, denn sie waren stolz auf ihre alte Kultur, und kulturell standen sie Frankreich und dem Katholizismus viel näher als seinem Preußen. Und mancher in Köln sprach von einer „ärme hierod“. Zunächst erleichterte die patriotische Stimmung der Befreiungskriege das Miteinander. Und man erwartete hohen Besuch – Kronprinz Friedrich Wilhelm besuchte die neuen preußischen Provinzen und freute sich darauf, den gewaltigen alten Rhein und das Rheintal mit seinen vielen Burgen zu sehen. Sogar den Drachenfels würde er besuchen!

Der Kronprinz kommt!

Man richtete das Städtchen Königswinter so gut es ging her, und die meisten Königswinterer Bürger hofften, einen Blick auf den hohe Gast zu erhaschen. Oma Limbach wunderte sich nicht über die allgemeine Aufregung, und nach all den bewegten Jahren war das mal schön. Nur – man hatte nichts anzuziehen! Schließlich hatten die meisten Menschen in den letzten Jahren andere Sorgen gehabt.

Noch immer trug man den Empirestil mit der hochgezogenen Taille, und sie hatte die goldenen Litzen und prächtigen Stickgarne und Perlen. Damit konnte man auch alte Kleidern und Hüten neuen Chic geben! Schon bald begann sie mit der Arbeit, und unter ihren geschickten Händen entstanden individuelle, kleine Kunstwerke. Um alte, zerfledderte Hüte band sie bunte Bänder mit einer kunstvoll drapierten Schleife,. Aus den eleganten, spitzenverzierten Tischdecken und Servietten entstanden Schals und Spitzeneinsätze und kleine Handtaschen, die sie mit goldene Litzen verzierte. Schadhafte Stellen besserte sie mit Uniformstoff aus.

Oma Limbachs einzigartige Hüte

Schon bald waren Oma Limbachs Hutkreationen über die Grenzen ihres Städtchens hinaus bekannt. Manchmal brachten ihr Kunden alte Teile und fragten, ob sie daraus etwas Neues zaubern konnte. Nun produzierte sie in Heimarbeit oder an schönen Tagen draußen Hüte, jeder ein Kunstwerk für sich. Immer an ihrer Seite war ihre Enkelin Anni. Unermüdlich lief sie hin und her, brachte die benötigten Teile und hob Dinge auf, damit die Oma sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren konnte.

Als der große Tag kam, sah man viele Königswinterer Bürger am Rhein und auf dem Weg zum Drachenfels hinauf stehen. Da waren elegant gewandete Damen und Herren, offentlichtlich Honoratioren, die es immer fertig gebracht hatten, ihre Schäfchen ins trockene zu bringen. Andere trugen einfache Kleider, die Oma Limbachs stilvolle, einzigartige Hüte und Schals gut zur Geltung brachten.

Henriettes Schokolade

Während die Menschen noch auf die Ankunft des Kronprinzen warteten, schenkte Henriette an einem improvisierten Stand Schokolode aus. Oma Limbach strahlte vor Freude. Ihre Enkelin Anni nahm ihre Hand und hätte vor lauter Aufregung am liebsten laut geschrien und auf jeden Hut gezeigt, der aus ihrer Werkstatt stammte. Annis einfaches Kleidchen hatte Oma Limbach mit ganz besonderer Liebe verziert und für das Schutenhütchen ein passendes Band genäht. „Schscht, meine Kleine“, mahnte sie liebevoll, „Seine Majestät der Kronprinz wird gleich hier sein, wir müssen leise sein“. Innerlich aber jubelte sie. Das war doch ein Neubeginn.

Die „Limbach-Stübchen“

Hubert Limbach war stolz auf seine Damen, denn sie waren eine glückliche Mischung aus Herzensgüte und Geschäftssinn. Im Erdgeschoss ihres Häuschens hatten sie zwei Zimmer mit großen Fenstern zu Straße hin links und rechts vom Flur freigeräumt. Im rechten Zimmer stellten sie Tische und Stühle auf, für die Oma Limbach prächtige Tischdecken und Stuhlkissen nähte. Hier würde Henriette künftig selbst gemachte Schokolade ausschenken. Der andere Raum war Oma Limbachs kleine Werkstatt, hier bot sie ihre Kreationen an. Hubert hatte ein großes Holzschild mit der Aufschrift „Limbach-Stübchen“ gezimmert und draußen angebracht, und schon ging das Familienunternehmen an den Start. Wozu hatte man denn Gewerbefreiheit?

Der Kronprinz am Drachenfels | Zum Weiterlesen
Preußen im Rheinland, die Hohenzollern und der Rheinland, Friedrich Wilhelm IV.

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