Hindenburg wird Reichspräsident

Reichspräsidentenwahl 1925
Reichspräsidentenwahl 1925

[Rheinprovinz und Deutschland, 1925] Reichspräsident Friedrich Ebert war im Alter von erst 54 Jahren verstorben. Nun wurde, zum ersten Mal, ein Reichspräsident direkt vom Volk gewählt.

Marx oder Hindenburg?

Im ersten Wahlgang am 25. März 1925 konnte sich keiner der Kandidaten durchsetzen. Im zweiten und entscheidenden Wahlgang am 26. April 1925 hatten sich die politischen Lager auf gemeinsame Kandidaten geeinigt. Für die republikanischen Mitte-Links-Parteien SPD, Zentrum, BVP und DDP, den „Volksblock“, kandidierte Altkanzler Wilhelm Marx; für den rechtskonservativen „Reichsblock“ der ehemalige Generalfeldmarschall und Paul von Hindenburg.

Mit der Aufstellung Hindenburgs war dem Reichsblock ein Coup gelungen, denn der „Sieger von Tannenberg“ genoss noch immer großes Ansehen. Hindenburg war parteilos, doch stand er den Deutschnationalen nahe. Aber dem Ruf der Parteien war er nicht gefolgt, sondern dem der kaiserlichen Herren. Erst als Admiral von Tirpitz ihn drängte, als Soldat dem Ruf des Vaterslands zu folgen, und Wilhelm II. vom Exil aus zustimmte, hatte er sich bereit erklärt.

Kandidat Wilhelm Marx kandidiert für den „Volksblock“

„Wählt Marx!“ stand auf den Plakaten und Handzetteln, die Max und Walter gerade in Kathis Auto luden. Ihre ganze Familie unterstützte im zweiten Wahlgang Wilhelm Marx, den Kandidaten der Republikaner.

Auch Kathi hoffte von ganzem Herzen auf einen Sieg von Marx. Der Reichspräsident hatte eine sehr starke Stellung, und ein Republikaner in diesem Amt konnte der jungen Republik Auftrieb geben. Bei allem Vertrauen und aller Tatkraft hatte sie nicht vergessen, wie viel Angst in sie in ihrer jungen Ehe schon um ihren Max gehabt hatte. Sie spürte ihr Baby. Wenn die Republikaner zusammenstünden und sich gegenseitig stärkten, wenn es wirtschaftlich bergauf gehen würde, dann könnte sie ruhiger in die Zukunft sehen. Robert und ihr ungeborenes Kind würden in einem freien Land aufwachsen, und sie musste nicht fürchten, dass Max wieder verbannt oder gar verhaftet würde.

Schwierige Mehrheiten

Nach 1920 hatte es im Reichstag keine „Weimarer Koalition“ mehr gegeben. Im Gegenteil: der demokratische Aufbruchsgeist, die breite Unterstützung für die republikanischen Parteien schwand zunehmend. Die Männer der ersten Jahre, des demokratischen Aufbruchs nach Krieg und Niederlage, hatten dafür ihr Leben gelassen. Matthias Erzberger, Walter Rathenau, und nun mittelbar auch Reichspräsident Friedrich Ebert, der wegen einer Verleumdungsklage eine nötige Operation so lange verzögert hatte, bis es zu spät war.

Zwar hatte die Reichstagswahl vom Dezember 1924 den extremen Parteien eine Wahlniederlage gebracht, doch an der rechten Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) kam man nicht mehr vorbei. Immerhin hatte ein Teil der DNVP-Fraktion im Reichstag für den Dawes-Plan gestimmt. Doch die von Kanzler Marx angestrebte ganz große Koalition mit SPD und DNVP war nicht zustande gekommen. So war im Januar 1925 der parteilose Hans Luther Reichskanzler geworden. In dessen Kabinett war die DNVP dann erstmals vertreten. Nun trug die SPD Marx als gemeinsamen Kandidaten des Volksblocks, das Zentrum dafür Otto Braun (SPD) als preußischen Ministerpräsidenten.

Kathi spürte ihr Baby. Wenn die Republikaner zusammenstünden und sich gegenseitig stärkten, wenn es wirtschaftlich bergauf gehen würde, dann könnte sie ruhiger in die Zukunft sehen. Robert und ihr ungeborenes Kind würden in einem freien Land aufwachsen, und sie musste nicht fürchten, dass Max wieder verbannt oder gar verhaftet würde.

Lieber Hindenburg als mit den Stimmen der Sozialisten siegen

Doch schon wackelte der Volksblock. Die Bayrische Volkspartei, der bayrische Arm des politischen Katholizismus, scherte aus und rief zur Wahl des preußischen Protestanten Hindenburg aus. Für sie war Marx zu sehr dem Einfluss der SPD ausgesetzt. Am rechten Rand des Zentrums stießen Politiker wie Franz von Papen in dasselbe Horn: „Wenn man morgen eine antisozialistische Politik treiben wolle, könne man nicht heute einen Zentrumsvertreter mit Millionen sozialistischer Stimmen in den Sattel setzen“. Was das Wahlbündnis auf den rechte Seite an Stimmen kosten würde, konnte man auf der linken nicht wettmachen.

Auf der anderen Seite hegten viele antiklerikale linke Sozialdemokraten in Sachsen und antikatholische Liberale im Südwesten des Landes große Skepsis gegen den römisch-katholischen Marx.

Die KPD hielt an ihrem Kandidaten Ernst Thälmann fest, obwohl er keine Chance hatte. Öffentlich erklärte die KPD: „Es ist nicht die Aufgabe des Proletariats, den geschicktesten Vertreter der Bourgeoisieinteressen auszusuchen, zwischen dem Zivildiktator Marx und dem Militärdiktator Hindenburg das kleinere Übel zu wählen“.

Ein Monarchist als Reichspräsident

Am 26. April 1925 siegte Hindenburg knapp vor Marx, Thälmann war abgeschlagen. Im zweiten Wahlgang waren mehr Menschen zur Wahl gegangen, und davon hatte Hindenburg profitiert. Die Befürchtungen hatten sich bestätigt. Hindenburg war ein erheblicher Einbruch in die katholische Wählerschaft gelungen, und die Republikaner standen nicht geschlossen hinter Marx. Nun war das Staatsoberhaupt der krisengeschüttelten Republik ein überzeugter Monarchist.

Für die Republikaner war es ein sehr trauriger Tag. Eine Mehrheit der Deutschen hatte den Chef der ehemaligen Obersten Heeresleitung, die sich nach der Niederlage aus der Verantwortung gestohlen hatte, ins höchste Staatsamt gewählt. Wie sehr waren die Republikaner seit Revolution und Nationalversammlung in die Defensive geraten? Wie fremd war vielen Menschen die parlamentarische Demokratie geblieben? Hindenburgs Wahlerfolg zeigte, wen sich viele Wähler an der Spitze des Staates wünschten: Nicht einen Mann wie den SPD-Vorsitzenden Ebert, den die Novemberrevolution 1918 an die Macht katapultiert hatte, sondern den „Sieger von Tannenberg“, der monarchische Tradition und den Glanz des Kaiserreichs vor 1914 verkörperte.

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